Interview mit Michael Saebisch, Abitur Wintersemester 2012/2013
Wie haben Sie von der Abendschule/ der Möglichkeit, den Abschluss nachzumachen, erfahren?
Was war der Anlass/ Grund, einen Abschluss nachzumachen?
Schon lange hegte ich den Wunsch mich beruflich zu verändern und ein Studium zu beginnen. Leider war es mir nicht möglich, ein „normales“ Abendgymnasium zu frequentieren, da ich nach meiner mittleren Reife eine Berufsausbildung im Handwerk absolviert habe und im Anschluss zweischichtig arbeitete. Eines Tages berichtete mir ein Arbeitskollege von einem Bekannten, der trotz Wechselschicht, sein Abitur nachholt. Auf Nachfrage erhielt ich die Auskunft, dass an dem Rahel-Varnhagen-Kolleg das sogenannte „Abi-Online“ System praktiziert wird, so dass die Anwesenheitspflicht durch selbstständiges Lernen daheim auf ein Minimum reduziert wird.
Wie hat Ihr persönliches Umfeld reagiert (Freunde, Partner/in, Eltern, Kinder, Arbeitgeber)? Mussten Sie etwas vorbereiten und organisieren, um die Schule zu besuchen (z.B. Betreuung, Schichtwechsel etc.)?
Die Resonanz war unterschiedlich. Insbesondere meine Großeltern verstanden nicht, wieso ich mit 29 Jahren „plötzlich“ Abitur machen und studieren wollte, da ich ja –in ihren Augen –fest im Berufsleben stand und Familie hatte. Ihre Generation war es gewohnt, „funktionieren“ zu müssen und keine unnötigen „Risiken“ einzugehen.
Meine Mutter und mein Freundeskreis reagierten allerdings positiv und unterstützten mich in meinem Vorhaben. So erklärte sich z.B. immer jemand bereit, während der Präsenztermine auf meine Kinder (damals 3 und 5 Jahre alt) aufzupassen. Meine Arbeitskollegen haben ebenfalls überwiegend positiv reagiert und mich durch das Tauschen einzelner Schichten an den Präsenztagen unterstützt.
Welche Pläne hatten Sie mit dem Abschluss?
Wie ging es weiter nach der Schule?
Zunächst hatte ich geplant ein Studium in meiner ursprünglichen Fachrichtung aufzunehmen, damit die Ausbildung und die Berufsjahre nicht umsonst gewesen wären, habe mich dann aber noch während der Abendschule zu einer neuen Ausbildung in der Verwaltung entschieden. Zwar war dies mit doppeltem Lernen verbunden, aber dafür hatte ich die Abende frei.
Noch während der Ausbildung habe ich meine Abiturprüfung erfolgreich abgelegt und dann parallel zu der Ausbildung ein Studium der Rechtswissenschaft an der FU Hagen aufgenommen (das online Lehrprinzip und das Selbststudium haben mir sehr zugesagt).
Im Falle eines Studiums: (Wie) ließen sich Studium und Berufstätigkeit vereinbaren? Wie konnten Sie das Studium finanzieren?
Nach der Ausbildung habe ich dann eine Teilzeittätigkeit im Prüfungsamt einer deutschen Universität aufgenommen und mein Studium fortgeführt. Meine Bachelorabschlussprüfung habe ich inzwischen abgelegt und beginne nunmehr im Oktober 2018 mit dem Master – da ich in der Verwaltung bleiben möchte, habe ich mich gegen das klassische Staatsexamen entschieden (welches an der Fernuni ebenfalls abgelegt werden kann) und lege mir im Master durch die Möglichkeit diverser belegbarer Module mein eigenes Profil zurecht.
Finanzierungsmöglichkeiten gibt es allerdings auch im Rahmen des BAföG. Und das nicht nur für die Zeit des Besuchs des Abendgymnasiums. Selbst wer nach dem 30. Lebensjahr sein Abitur ablegt, hat grundsätzlich die Möglichkeit auf staatliche Hilfe.
In welcher Form hat Sie die Schule auf das nachfolgende Studium/Ausbildung vorbereitet?
Ganz klar, wer nur zwei Abende die Woche die Abendschule besuchen muss, muss zuhause lernen. Das läuft an der Fernuni nicht anders, bzw. ist dort noch mehr Eigeninitiative erforderlich.
Das Rahel-Varnhagen-Kolleg hat mich ausgezeichnet auf die generellen Erfordernisse eines Fernstudiums vorbereitet. Die Fähigkeiten Eigenverantwortung, Lerndisziplin und Koordination wurden in den 3 Jahren, in denen ich das Kolleg besucht habe, entwickelt bzw. geschult.
Aber auch fachlich war ich z.B. durch den Deutsch LK sehr gut auf das Jurastudium vorbereitet. So sind z.B. die Methoden der Textanalysen im Deutschunterricht grundsätzlich nicht anders als die Subsumtion eines juristischen Lebenssachverhalts. Ebenfalls nützlich ist eine Fremdsprachenkompetenz, aber auch Kenntnisse der Mathematik (Differentialrechnung !!!), da moderne Jurastudiengänge auch Pflichtmodule der Betriebswirtschaftslehre enthalten.
Was waren die schönsten Eindrücke der Schulzeit?
Besonders imponiert hat mir das hervorragende Klima in der Klassengemeinschaft und zu den Lehrkörpern. Man merkt, dass die jungen Erwachsenen, die abends dort die Schulbank drücken, freiwillig vor Ort sind und den Wunsch haben, etwas zu lernen. Dementsprechend gut war die Beteiligung am Unterricht, verdeutlicht z.B. in diversen Diskussionen oder auch durch anspruchsvolle Nachfragen an den jeweiligen Lehrer.
Man merkt, dass es dem Kollegium Freude bereitet ihr Fachwissen zu vermitteln.
Ebenfalls imposant waren die Exkursionen, die im Rahmen des Biologie Unterrichts stattgefunden haben. Es hat einfach großen Spaß gemacht, in der Natur zu lernen.
Unvergessen bleibt auch unsere Abschlussfeier. Hierzu hatten wir Räumlichkeiten in einer Diskothek angemietet und zusammen mit den Lehrern bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Was würden Sie heutigen Studierenden des RVK mit auf den Weg durch die Schulzeit geben?
Wichtig ist, sich nicht von Meinungen anderer von seinem Vorhaben abbringen zu lassen. Aktuell muss man damit rechnen, mindestens bis zum 67. Lebensjahr arbeiten zu müssen.
Daher lohnt sich ein Studium auch noch mit 30, 40 oder auch 50 Jahren.
Sicherlich ist es kein einfacher Weg, aber wer von Beginn an diszipliniert „am Ball“ bleibt und fleißig lernt, wird sein Ziel „Abitur/Studium“ auch erreichen. Und auch wenn eine Klausur mal daneben geht, ist das kein Weltuntergang !!!